private Endverbraucher zahlen – Gewinne der Konzerne explodieren
Auf der heutigen letzten Bochumer Montagsdemo 2022 ging es um drei aktuelle Themen: Die drakonische Strompreiserhöhung und deren Ursache, der Angriff von Bundeskanzler Scholz auf die Frühverrentung und der Korruptionsverdacht gegen die EU-Vizepräsidentin Kaili und deren Festnahme.
Obwohl wenig Menschen zur Kundgebung kamen, entwickelte sich eine interessante Diskussion zu diesen Themen. Einer der Moderatoren eröffnete die Debatte: „Unser heutiges Schwerpunktthema der Strompreiserhöhung betrifft alle, egal ob arm oder reich. Die Stadtwerke Bochum hat die Strompreise um stolze 57 Prozent erhöht. Der Arbeitspreis beträgt jetzt rd. 44 Cent pro Kilowattstunde, bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 2000 kwh/Jahr bedeutet das für den privaten Verbraucher rd. 35 Euro mehr im Monat. Das können sich zwar Menschen mit hohem Einkommen leisten, was ist mit den Menschen mit geringem Einkommen oder gar den Beziehern von Hartz IV (ab 2023 Bürgergeld) und Sozialhilfe? Die Strompreisrechnungen werden unbezahlbar, auch Ratenzahlungen sind keine Lösungen, da es zu einer Dauerschuld der Verbraucher kommt“.
„Die Strompreiserhöhungen sind eindeutig eine Abwälzung der Krisenlasten u.a. durch den Ukrainekrieg auf die Massen der Bevölkerung“, erläuterte der andere Moderator, „im Gegensatz dazu machen die Konzerne saftige Gewinne. Nach Auskunft von Wirtschaftswissenschaftsinstituten wie Ernst & Young stieg der Gesamtumsatz der DAX-Unternehmen im dritten Quartal um 23 Prozent und der Gewinn sogar um 28 Prozent (44,7 Milliarden Euro) und das trotz einer rekordhohen Inflation und der wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten. Zu diesen Unternehmen gehören Energiekonzerne wie RWE, RAG und Evonik. Selbst Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung bei EY, musste zugeben: Wer mit einem Einbruch des Geschäfts gerechnet hatte, sieht sich getäuscht. Bei der Mehrzahl der DAX-Unternehmen steigen Umsatz und Gewinn, das Geschäft brummt“.
„Ich verstehe nicht, warum es wegen der drakonisch gestiegenen Energiekosten und speziell der Strompreiserhöhungen nicht zu spontanen Demonstrationen gekommen ist“, empörte sich ein Redner, „davon sind alle betroffen! Auch die Strompreisbremse auf ca. 40 Cent pro Kilowatt Stromverbrauch bringt nur eine ungenügende Entlastung für den Verbraucher, zudem ist sie auf 80% der Stromkosten begrenzt“.
„Ganz zu schweigen von den Transferbeziehern von Hartz IV (ab 2023 Bürgergeld) oder der Sozialhilfe! Sie erhalten nicht einen Cent mehr vom Amt, weil die Kosten für Haushaltsstrom mit dem Regelbedarf abgegolten sind!“, argumentierte eine Rednerin.
„Völlig kurios ist, dass Braunkohlekraftwerke wegen der angeblichen Energieknappheit weiterlaufen sollen und dafür das Dorf Lützerath abgebaggert weren soll, während Strommengen aus erneuerbaren Energien nicht in öffentliche Netze eingespeist werden, weil sie zu einer Überlastung des Netzes führen. Hier beweist sich, dass der Ausbau der Infrastruktur für die Stromversorgung zugunsten der Energiekonzerne bewusst vernachlässigt wurde!“, hieß es in einer Wortmeldung. (Quelle: Nachrichten WDR 2 vom 12.10.22)
In diesem Zusammenhang erwähnte eine Rednerin die Korruption im EU-Parlament der Vizepräsidentin Kaili und weiterer Verdächtiger, die festgenommen wurden.
Bei den Ermittlungen geht es nach Angaben der Staatsanwaltschaft um eine mutmaßliche kriminelle Organisation, versuchte Einflussnahme aus dem Ausland sowie Vorwürfe von Korruption und Geldwäsche. Man habe seit mehreren Monaten den Verdacht, dass ein Golfstaat versuche, die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen. Belgische Medien berichten, dass es sich dabei um das Emirat Katar handeln soll, wo derzeit die Fußball -Weltmeisterschaft ausgetragen wird.Kaili soll angeblich von Katar Schmiergelder angenommen haben und große Bargeldbeträge wurden in ihrer Wohnung aufgefunden. Die Vizepräsidentin wurde sofort ihres Amtes enthoben. „Das ist ein Beweis, dass man den Parlamenten nicht trauen kann, da es auch hier um die Interesse der Monopole geht“, sagte sie.
Dass den Konzernen selbst Versicherungsleistungen wie die Frühverrentung ein Dorn im Auge sind, äußerte sinngemäß der Bundeskanzler Scholz im unternehmerischen Sinne: Immer mehr Beschäftigte gehen vorzeitig in Rente, dadurch verschlimmert sich der Mangel an Fachkräften und die Einnahmen der Rentenversicherungen sinken. Wir brauchen daher mehr erwerbstätige Frauen und Einwanderer.
„Scholz hat kein Wort dazu verloren, warum es zur Frühverrentung kommt“, protestierte ein Redner, „Dauerstress und Ausbeutung der meisten Beschäftigten sind der Hauptgrund! Im Übrigen ist es selbstverständlich, dass ein früheres Renteneintrittsalter für Beschäftigte mit körperlich oder psychisch schweren Arbeiten wie z.B. Dachdecker, Feuerwehrleute, Polizisten oder Pflegekräfte und Ärzte, notwendig ist. Auch über den Rückgang der Ausbildungsplätze und die grundsätzliche Abschaffung der Minijobs ohne Sozialversicherungspflicht war keine Rede von Scholz!“
„Vom gegenwärtigen System der Sozialversicherung der paritätischen Verteilung der Sozialversicherungsbeiträge halte ich wenig“, meinte ein Redner, „denn Konzerne mit hohem Automatsierungsgrad und wenig Personal zahlen dann verhältnismäßig weniger in die Rentenkasse ein als kleine Unternehmen wie Handwerker, die wenig Maschinen, aber dafür viel Personal haben. Daher wäre eine umsatzbezogene Sozialsteuer sinnvoll, die ca. 5,5% der Umsätze betragen könnte. Großunternehmen zahlten dann mehr in die Sozialversicherungskassen ein, während kleine Unternehmen mit hohem Personalstand entlastet würden“.
Die Montagsdemonstranten forderten, dass die Kosten für Haushaltsstrom bei Transferbeziehern von Hartz IV (ab 2023 Bürgergeld) oder der Sozialhilfe zu den Kosten der Unterkunft gehören und nicht mit dem Regelsatz abgegolten sind.
Zum Abschluss der Kundgebung verlas eine langjährige Montagsdemonstrantin ein selbst entworfenes Gedicht zur Weihnachtszeit, dass u.a. von beleuchteten Gassen handelte und die Sehsüchte der Menschen nach Frieden und Freiheit hervorhob. Einen symbolischen Weihnachtsgruß sandte auch einer der Moderatoren an alle Menschen in der Welt, die unter Krieghandlungen wie in der Ukraine oder unter brutalen Menschenrechtsverletzungen wie in Afghanistan, dem Iran, Syrien und allen anderen Staaten mit einem Terrorregime leiden müssen und wünschte ihnen beim Kampf um ihre Freiheit viel Erfolg.
Die nächste Montagsdemo ist am zweiten Montag im Januar 2023, dem 9.1.2023 um 18.00 Uhr wieder am Husemannplatz.
Allen Montagsdemonstranten eine frohe Weihnacht und ein gesundes Neues Jahr!
Die Moderatoren
Ulrich Achenbach
Christoph Schweitzer