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Duisburg: Kohle-Bergarbeiter für Anerkennung von Berufskrankheiten

Ein Anfang ist gemacht!

Vor und während der Duisburger Montagsdemonstration am 4. Juli ging es lebhaft zu. Dort wurden die Ergebnisse einer Gesundheitsstudie von Kumpel vorgestellt, die länger unter Tage gearbeitet haben. Was da zutage kam und was bisher den Kumpel selbst und der Öffentlichkeit vorenthalten wurde, ist ein wahrer Krimi.

Die Mehrheit der 124 Kumpel, die sich in den letzten Monaten beteiligten, hat überdurchschnittliche Erkrankungen: Krebs, Kreislaufbeschwerden, Hauterkrankungen und Schädigungen des Nervensystems. Im Schnitt kamen auf einen Kumpel 3,7 verschiedene Erkrankungen gleichzeitig. Ihr „Arbeitgeber“, die Ruhrkohle AG (RAG) hatte das wohl vermutet und ein schlechtes Gewissen. 2018 ließ sie in Zusammenarbeit mit der Technische Hochschule Aachen eine Studie erstellen, die die Giftrückstände im Körper als unbedenklich unterhalb der geltenden Referenzwerte erklärte. Und das sind wirkliche Hämmer! Das Supergift PCP (Polychlorierte Biphenyle, heute verboten und früher vielfach verwendet), sowie Schwermetall-Rückstände, mit Verbindungen von Cadmium, Arsen, Nickel u.a. In den letzten Woche gab es schon mit den betroffenen Kumpel Versammlungen zu den Ergebnissen der Untersuchung. Dort kam der Vorschlag, aus dem Saal auf die Straße zu gehen und sich selbst zu Wort zu melden. Das war für viele Kumpel noch ungewohnt, aber die ersten erklärten sich dazu bereit.

Eine Stunde vor Beginn der Montagsdemonstration stellten sie mitten auf dem belebten Platz am Lifesaver-Brunnen Tische auf und malten Plakate, auf denen sie in einfachen Worten auf ihr Schicksal aufmerksam machten und die RAG anklagten. Während dieser Zeit lud die Regionalgruppe Kumpel für AUF Niederrhein zu einer Pressekonferenz. Ein Redakteur und ein Fotograf von der Lokalpresse kamen. Sie sprachen interessiert mit den anwesenden Kumpel, einer brachte auch seine Frau und Tochter mit. Die anschließende Montagsdemo wurde von den über 50 Teilnehmern zu einem Tribunal, sowohl für die RAG, als auch für Stahl- und Metallunternehmen als auch für die Kapitalisten in Druckereien. Letztere ließen früher Setzerinnen mit hochgiftigem flüssigem Blei hantieren. Viele starben früh und konnten ihr Rentenalter nicht genießen.

„Soviel aufrüttelnde Beiträge habe ich schon lange nicht mehr auf einer Montagsdemo erlebt. Und was da vorgebracht wurde, war mir bisher weitgehend unbekannt“, meinte ein Stahlarbeiter hinterher. Viele Kumpel hatten schon Zeichen der Erkrankung in ihrer aktiven Arbeitszeit und wurden von Vorgesetzten oft als Simulanten und Drückeberger beschimpft. Kein Unternehmen in Deutschland kann rechtlich haftbar gemacht werden. Dafür wurde schon zu Bismarck-Zeiten die Berufsgenossenschaft eingerichtet. Sie soll für Arbeitssicherheit Sorge tragen, Schädigungen durch Berufstätigkeiten verhüten, und wenn sie passieren, ist sie anstelle der Unternehmen für Entschädigungen zuständig. Klar, dass sie das möglichst umgehen wollen. Ein Kumpel, der in den 1970er Jahren auf der Zeche Niederberg angelegt war, berichtete, wie sie 1978 den ersten erfolgreichen Arbeiterkampf gegen den Einsatz von PCB-haltigem Maschinenöl geführt hatten und zu dessen Verbot beitrugen. Trotzdem sind im Ruhrgebiet noch 2.500 Tonnen PCB unterirdisch eingelagert, dazu kommen noch 1,6 Millionen Tonnen entsorgte hochgiftige Schlacke- und Industrieabfälle. Und die kann als Giftbrühe zu Tage treten, wenn die begonnene Flutung der stillgelegten Zechen nicht gestoppt wird. Einer der Moderatoren berichtete von einer persönlichen Reise in das sozialistische China in den 1970er Jahren. Damals hatten die Arbeiter Rechte, von denen man heute hier (und auch im inzwischen wieder kapitalistischen China) nur träumen kann. Betriebsleiter mussten Rechenschaft ablegen, wenn sie unsägliche Arbeitsbedingungen provozierten, nur um persönlich mit guten Produktionszahlen zu glänzen. Sie konnten sogar abgewählt und wieder in die Produktion zurück gesetzt werden. Man stelle sich vor, man könnte den RAG-Vorstand verpflichten, vor den Kumpel auf der Montagsdemonstration zu erscheinen und sich zu verantworten!? „Ein Traum, aber warum muss es ein Traum bleiben“, meinte ein Teilnehmer.

Am Schluss bekräftigte die Kundgebung, sich für den Kampf um das Recht auf Anerkennung von Berufskrankheiten einzusetzen, und dafür, dass die Unternehmer zahlen müssen. Das ist möglich und zum Beispiel geltende Rechtslage in den USA. Abschließend stellten sich die Kumpel mit ihren selbst gemachten Plakaten zu einem Abschlussbild. Wie eine Fußballmannschaft vor dem Anpfiff und mit der Siegesgewissheit: wir haben einen guten Anfang gemacht.

Wolf-Dieter Rochlitz
Kumpel für AUF- Regionalgruppe Niederrhein

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