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Hartz IV-Debatte (Teil 2): „Lohnabstandsgebot“ = Senkung der Hartz IV-Sätze!

Von Siggi Renz/Duisburg, Mitglied der Koordinierungsgruppe der Bundesweiten Montagsdemo

Die Debatte um Hartz IV weitet sich aus. Unternehmerverbände, die FDP, die Bild-Zeitung und die FAZ wittern die Chance sogar eine Senkung der Hartz IV-Bezüge durchzusetzen. Flankiert von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der meint nachweisen zu können, dass „Hartz IV keine Armut“ ist, legt die großbürgerliche „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ noch eine Schippe drauf. Sie tönt: „Hartz IV lohnt sich oft mehr als Arbeit“ (FAZ vom 19.3.18, wiederholt bei „Anne Will“ am 8.4.18) und fordert ein Lohnabstandsgebot von Hartz IV zu den untersten Löhnen einzuführen. Ein solches „Lohnabstandsgebot“ gab es bereits vor 2011 bezogen auf die Sozialhilfe. Angewandt auf Hartz IV hätte dies zu einer Senkung der Hartz Sätze geführt. Das war nicht durchsetzbar und wurde fallen gelassen. „Tacheles“ weist nach, dass bezogen auf den Mindestlohn heute „der Regelsatz eines Alleinstehenden dann nur noch 292 € betragen dürfte (statt 416€ wie jetzt). Auch die Regelsätze für Kinder müssten um rund 30 % gekürzt werden.“ (tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2331)

Dabei hat selbst das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die jetzigen Hartz IV-Bezüge nicht das Existenzminimum garantieren, sondern darunter liegen. Sollen die Menschen hungern? Der Vorstoß der FAZ übergeht vollkommen, dass 15 Jahre Hartz IV eben auch grundlegend das Lohnsystem in Deutschland verändert haben. Gerhard Schröder (SPD und früherer Bundes-kanzler) brüstet sich damit, in Deutschland den besten Niedriglohnsektor in Europa geschaffen zu haben. Und in der Tat arbeiten inzwischen 22,5 % der Beschäftigten (Im Jahr 2000 noch 18,7 %) unterhalb der Niedriglohnschwelle von 10,50€ Stundenlohn. Zum Vergleich: Im Euroraum betrifft dies nur 15,9 % der Arbeitnehmer bei einem Niedriglohn von 14,10 €. Betrachtet man wie hoch der Anteil an unter dem Mindestlohn arbeitenden Beschäftigten in den jeweiligen  Beschäftigungsverhältnissen ist, wird schnell klar, warum sich das so entwickelt hat: Mini-Jobber: 65 %; Leiharbeiter: 40 %, Befristet Beschäftigte :34 % ;Teilzeit: 23 % und Normal Beschäftigte 9,6 %. (DGB 28.7.2017, Angaben der Bundesregierung). Das Hartz IV-System hat durch die Drohung mit Sanktionen und anderen Zwangsmaßnahmen die Menschen eben in diese „prekären“ Arbeitsverhältnisse gezwungen! Dabei sind  1,383 Millionen Menschen, die in solchen Verhältnissen arbeiten, sogenannte „Aufstocker“ die also noch zusätzlich Hartz IV beantragen  müssen!

 

 

Dazu kommt dass die Reallöhne (nach Abzug der Steuern und Abgaben) seit 2000 faktisch stagnieren. Die Bundeszentrale Politische Bildung schreibt dazu:

Die Reallöhne sind in Deutschland zwischen 1991 und 2012 um lediglich 3,1 Prozent gestiegen, obwohl im gleichen Zeitraum eine Nominallohnsteigerung von 36,7 Prozent festzustellen ist. Zurückzuführen ist dies auf die Entwicklung der Verbraucherpreise … und die Banken- und Finanzkrise 2007und 2009.“ Und sie kommt zu der erstaunlichen Erkenntnis: „Außerdem sind die Arbeitsmarktreformen, vor allem die „Hartz-Reformen“ dafür ursächlich. Der ohnehin durch die schwache konjunkturelle Entwicklung ausgelöste Lohndruck wurde durch die Arbeitsmarktreformen, mit der einhergehenden Ausdehnung des Niedriglohnsektors, weiter verschärft“. (Bundeszentrale Politische Bildung v.11.8.2014)

Damit kommen wir zum Kern der Sache, worum es bei dieser Debatte geht: Die „neuen“ Arbeitsverhältnisse wie auch der Niedriglohnsektor sollen gegen eine wirksame Organisierung  der Arbeiter und Angestellten und damit der Gewerkschaften einerseits und gegen die Solidarisierung und den gemeinsamen Kampf mit den Erwerbslosen andererseits wirken. Der verstärkte Druck auf die Hartz IV-Bezieher soll „die Spaltung von Arbeitslosen und Lohnabhängigen vertiefen, „faule Arbeitslose“ gegen „fleißige Erwerbstätige“ auszuspielen, statt Solidarität zwischen ihnen zu fördern.“( Rainer Roth in Tacheles). Die Debatte über das “Lohnabstandsgebot“ zielt auf eine Senkund der Hartz IV-Sätze und auf eine Ausdehnung des Niedriglohnsektor und Senkung der Einkommen!

Wie immer im Leben, gibt es natürlich auch eine Kehrseite dieser Entwicklung. Und diese findet man, wenn man sic die Gewinn.Entwicklung der  Dax-Unternehmen anschaut (s. Grafik). Während die realen Löhne und Gehälter im Zeitraum 1991-2012 gerade mal um 3,1 % gestiegen sind,  haben sich die Gewinne der DAX- Unternehmen von 44 € pro Aktie 1993 auf 830 € pro Aktie 2015 verzwanzigfacht!

Gerhard Schröder und Joschka Fischer haben den Großkonzernen in Deutschland mit Hartz IV und den anderen  Hartz Gesetzen sowie dem Niedriglohnsektor die Instrumente gegeben, mit denen sie ihren Konkurrenzkampf auf dem Rücken der Beschäftigten austragen konnten. Ohne Hartz IV kein Exportweltmeister und Super Gewinne!

 

 

Es ging bei Hartz IV nie um die Verbesserung der Situation der Erwerbslosen oder die wirkliche  Überwindung der Arbeitslosigkeit. Es ging immer um den Profit der Unternehmer!

Deshalb ist die einzige richtige Forderung in dieser Debatte: Weg mit Hartz IV!

*(Von Niedriglöhnen wird nach der derzeit allgemein verwendeten OECD-Definition dann gesprochen, wenn die Bruttostundenentgelte weniger als zwei Drittel des mittleren Lohns (Medianlohn) aller Beschäftigten betragen. Laut Berechnungen des IAQ hatte diese für das gesamte Bundesgebiet ermittelte Niedriglohnschwelle im Jahr 2015 bei 10,22 Euro gelegen.

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