Auf der 12-Jahresfeier der Bochumer Montagsdemo gab es gleich zu Anfang eine Änderung im ursprünglich vorgesehenen Programmablauf: Über 50 Flüchtlinge kamen, um gegen die drohende Verschiebung innerhalb Deutschlands nach dem neuen Integrationsgesetz zu protestieren. Die Montagsdemo hieß diese Menschen selbstverständlich herzlich willkommen.
Einer der Moderatoren sagte: „Liebe ausländischen Freunde, wir freuen uns sehr, dass ihr zu der 12-Jahresfeier der Montagsdemo gekommen seid. Die Montagsdemobewegung ist 2004 ursprünglich aus dem Protest gegen die unsozialen Hartz IV – Gesetze entstanden. Anfangs waren wir über 1000 Leute, im Laufe der Jahre ist die Teilnehmerzahl zwar deutlich gesunken, aber die Bewegung ist nicht tot. Nach wie vor gehen in über 70 Städten in Deutschland Menschen regelmäßig auf die Straße, um gegen die unsoziale Politik der Bundesregierung zu protestieren. Seit längerer Zeit geht es nicht nur um Hartz IV, sondern um alle brisanten politischen Themen, u.a. auch um Syrien. Gemeinsam werden wir dafür kämpfen, dass ihr hier in Bochum bleiben könnt . Durch das Ìntegrationsgesetz` hat sich die Heuchelei der Regierung von Merkel bewiesen, Flüchtlinge seien hier willkommen“. Ein Flüchtling übersetzte die Rede vom Moderator in ihre Landessprache. Anschließend wurde die Anfangshymne der Montagsdemo gesungen.
Es gab mehrere Redebeiträge am offenen Mikrofon, in dem mehrere Flüchtlinge von ihrem grausamen Schicksal berichteten. Der Landsmann übersetzte diese Berichte in die deutsche Sprache. Eine Frau schilderte fast unter Tränen: “ In Syrien war überall Krieg.Ich bin unter Lebensgefahr über die Balkonroute nach Deutschland gekommen, habe hier in Bochum eine Wohnung uns soll wieder weg. Mein Mann liegt mit einem Herzinfarkt im Krankenhaus. Wir wollen nur Frieden“.
Die Ausländerbehörde der Stadt Bochum wendet das neue Integrationsgesetz ebenso rigoros wie die Stadt Gelsenkirchen (siehe Bericht über Gelsenkirchener Montagsdemo) an. Hier sollen ebenfalls viele Flüchtlinge in die Orte zurück geschickt werden, an denen sie sich zum ersten Mal registrieren ließen.
Nachdem mehrere Montagsdemonstranten den Flüchtlingen ihre Solidarität bekundeten, gab es auch Grußworte an die Flüchtlinge und die Montagsdemo von dem Ratsmitglied der Sozialen Liste, zwei Frauen vom Frauenverband Courage, sowie von einem Vertreter der MLPD. Das Ratsmitglied der Sozialen Liste meinte: „Solidarität ist nicht von unterschiedlichen Sprachen abhängig. Auch wenn ihr unsere Sprache nicht verstehen könnt, ist das kein Hindernis für den gemeinsamen Zusammenhalt“.
Danach wurde einstimmig eine gemeinsame Resolution mit der Forderung nach einem Bleiberecht in Bochum verabschiedet. Diese Resolution geht an den Oberbürgermeister der Stadt Bochum, Herrn Thomas Eiskirch.
Anschließend begann der gemütliche Teil mit kurdischer Musik und einem gemeinsamen Tanz auf der Kortumstr. Viele Montagsdemonstranten reihten sich in den Kreis der kurdischen und syrischen Tänzer ein und versuchten die entsprechenden Tanzschritte.
Später verlas eine Montagsdemonstrantin eine politische Satire „Was ist Kapital?“ Diese Frau hat sich bisher stark für die Montagsdemonstration eingesetzt, viele Anregungen gegeben und auch viele Ideen umgesetzt, wie z.B. Entwerfen und Basteln eines Autos im Rahmen der Arbeitskämpfe bei Opel. Als kleines Dankeschön wurde ihr von den Moderatoren eine Sonnen-Topfblume überreicht.
Zum Abschluss meldete sich noch eine Montagsdemonstrantin: „Ich kenne die Montagsdemo bereits seit fast drei Jahren und bin durch die Hilfe aus euren Reihen in meiner extrem prekären privaten Lage auf diese Protestkundgebung aufmerksam geworden. Dabei konnte ich erfahren, dass die großen politischen Probleme nicht von uns gelöst werden können. Trotzdem ist die Montagsdemobewegung ein sehr wichtiger Baustein im Protest gegen diese Regierung der Konzerne und Banken und ihr habt im kleinen häufig benachteiligten Menschen helfen können.Daher freue mich sehr, bei eurer 12-Jahresfeier dabei zu sein. Leider ist der 29. August auch ein Tag der Trauer, denn genau an diesem Tage sind vor einem Jahr viele Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Das ist von der internationalen Politik so gewollt.
Die Aussage von Frau Merkel ‚Wir schaffen das‘ macht mich sehr wütend. Wer hat den Flüchtlingen denn geholfen? Ohne das große Engagement vieler Freiwilliger und Ehrenamtlicher wären diese Menschen, die vor Krieg und Terror flohen, auch hier in Deutschland umgekommen. Viele haben den Flüchtlingen die Hand gereicht, aber bestimmt nicht Frau Merkel und Co! Außer Sonntagsreden nichts gewesen! Oder hat Frau Merkel einem Not leidenden schon einmal ein Essen gekocht oder Kleidung gegeben? War Frau Merkel zu Gast in Suppenküchen?
Die Montagsdemonstrantin fuhr in eigener Sache fort: „Ich bin die ‚Schirmherrin‘ der Montagskundgebung und lasse den Moderatoren Archie nicht im Regen stehen“ Das war witzig und wörtlich gemeint. Als Überraschung bekam dieser Moderator als Geschenk eine Regenjacke von dieser Kollegin.
Danach wurde die Abschlusshymne gesungen und der ‚Geburtstag‘ der Montagsdemo klang bei leckerem Essen und Getränken langsam aus.
Am nächsten Montag, 05.09.16, gibt es wegen des Antikriegstages und der Angriffe der Türkei auf syrische Kurden eine außerplanmäßige Montagsdemo. Diese Kundgebung ist ebenfalls um 18.00 Uhr am Husemannplatz.
Ulrich Achenbach
Moderator