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Montagsdemo Gelsenkirchen: Aufbruch für Änderungen am Ausländeramt mit rund 250 Beteiligten

Gelsenkirchener Bürgerbewegung Montagsdemonstration

Pressesprecher: Martina Reichmann und Thomas Kistermann

 

Presseimtteilung 19.07.2016

Fulminante Montagsdemo mit Flüchtlingen und Migranten

Aufbruch für Änderungen am Ausländeramt mit rund 250 Beteiligten

Der Kreis wurde immer größer bei der 587. Montagsdemonstration, die außergewöhnliches öffentliches Interesse weckte und ausdrückte. Menschen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei, Eritrea, Nigeria, Georgien, dem Irak, Serbien, Albanien, Kosovo, Burma und Deutschland kamen zusammen: „Für unser Leben, Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Respekt. Das Ausländeramt muss sich ändern. Danke Deutschland, danke Gelsenkirchen“ stand im Fokus. Der beeindruckende

Zustrom beweist, dass das den Nerv vieler trifft. Dem vorausgegangen war eine Gesprächsrunde von AUF Gelsenkirchen mit knapp 70 Migranten und Flüchtlingen, sie haben dort u.a. beschlossen, auf der Montagsdemo das Thema an die Öffentlichkeit zu bringen.

Die Stimmung war geprägt von großem gegenseitigem Respekt, spontanem Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft. Wie selbstverständlich fanden sich bereitwillige Übersetzer! Viele Menschen sprachen zum ersten Mal an einem Mikrofon. Zwei Seiten zeigten sich immer wieder in vielen Beiträgen am offenen Mikrofon, die die Flüchtlinge einbrachten: „Wir sind sehr dankbar, dass wir hier in Deutschland, in Gelsenkirchen sind und viele uns sehr gut aufgenommen haben!“, was die Umstehenden mit großem Beifall unterstützen. „Aber wir sind nicht damit einverstanden, welche Behandlung wir vom Ausländeramt v.a. von einem der Beschäftigten erfahren, wie man uns herabsetzt, respektlos behandelt und schlecht organisiert arbeitet!“ Die Kritiken und Anregungen für Änderungen reichen vom tage- und nächtelangen Warten mit z.T. 200 Menschen, viel zu wenig Terminen, fehlenden Akten, undurchsichtiger Verschleppung und Bürokratie, Fehl- und Desinformation und umfasst eine lange Liste. Die Kritik trifft nicht alle Mitarbeiter beim Ausländeramt, sie trifft oft die Art und Weise der Organisation, personelle Unterbesetzung, andererseits auch einen Mitarbeiter, an dem sich die Kritiken bündeln. „Das wollen wir alles im Gespräch klären, diese Dinge müssen sich ändern!“

Nachdenklichkeit und dann auch viel Beifall fand der engagierte Beitrag einer Frau aus Deutschland: „Ihr dürft nicht pauschal das Ausländeramt verurteilen und alle Beschäftigten über einen Kamm scheren! Ihr sollt euch auch nicht nur um die Flüchtlingsfragen kümmern. Ich zum Beispiel finde keine Arbeit, viele Leute in Gelsenkirchen sind arm und viele die Arbeit haben, sind völlig überarbeitet.“

In den Beiträgen wird klar, dass die Kritik und Forderungen auch in der Flüchtlingsfrage keineswegs allein das Ausländeramt, sondern die Politik der Bundesregierung und v.a. die Bekämpfung der Fluchtursachen betreffen. Beispiel Fluchtursachen: Als drittgrößter Waffenhändler der Welt und mit den Waffenlieferungen an Saudi-Arabien befeuert die BRD den Krieg in Syrien und macht sich mit schuldig für die Fluchtursachen.

Berührende Schicksale erfährt man von den Problemen der Familienzusammenführung. Anas, 10 Jahre, wurde auf der Flucht von seinen Eltern getrennt, seit sieben Monaten und insbesondere in den Stunden des Militärputsches bangt er um sie, sie sind in der Türkei, bei den Behörden heißt es, dass fehlende Dokumente ihre Einreise verhindern, obwohl alles Geforderte längst vorliegt. Anas wird von anderen Demonstranten auf die Schultern gehoben und er singt ein berührendes Lied von Trauer und Heimweh.

Auf Vorschlag eines albanischen Jugendlichen, mit dem die Montagsdemo das Bleiberecht zusammen durchgekämpft hat, gingen die Kinder, beschützt und begleitet von Jugendlichen des Jugendverbandes Rebell, auf der Demonstration vornedran. Die Kinder empfanden viele als Verpflichtung, gegenseitig Verantwortung zu übernehmen: Nicht nur Syrer für Syrer, Albaner für Albaner sondern „einer für alle, alle für einen“. Internationale Lieder stärkten auf der Demo unseren Zusammenhalt, „Leben, Freiheit, Demokratie“ schallte mehrsprachig durch die Straßen.

Die Montagsdemo ist streitbar für demokratische Rechte und der anfängliche Bescheid der Polizei, dass alle auf dem Gehweg zu gehen hätten, war nach Einspruch von Martina Reichmann und der großen Zahl der Anwesenden natürlich Makulatur. Die Demonstration führte zum Ausländeramt, zu einer Kundgebung genau an den Ort, den viele Migranten mit Warten und Bangen verbinden. Trotz aller Schicksale, Frustration und Zorn über die menschenunwürdige Behandlung trugen die Flüchtlinge und Migranten die Kritiken ruhig und sachlich vor. Ganz anders schätzt das offensichtlich die Behörde ein. Alle Beteiligten waren empört, dass aus einem Fenster heraus die ganze Zeit gefilmt wurde. „“Wir protestieren entschieden gegen die hier versuchte Einschüchterung“, so Monika Gärtner-Engel. Solch ein Verhalten ist mit Sicherheit eine Sackgasse.

Besonderen Beifall bekamen die Beiträge von Stefan Engel, der den Blick über die konkreten Behördenfragen hinaus lenkte, den Kampf gegen die Fluchtursachen, gegen eine Politik der Verschärfung der Asylrechte, wie sie von der Bundespolitik ausgehen zum Thema machte. Der Dank der Migranten an die Menschen in Deutschland gebühre den vielen Menschen, den ArbeiterInnen, den Jugendlichen, die die Flüchtlinge internationalistisch willkommen hießen und gegen Faschismus aktiv sind. Die Öffnung der Grenzen war keine Freiwilligkeit der Regierung, sondern Reaktion auf die überwältigende Offenheit und Hilfsbereitschaft von 11 Millionen Helfern im letzten Jahr. Befasste sich die Demonstration anfänglich hauptsächlich mit konkreten Problemen im Ausländeramt Gelsenkirchen, so weitete sich im Verlauf der Blick: syrische Flüchtlinge sangen ihr Lied vom „verlorenen Paradies Syrien“, Parolen gegen die Regierung Assad schallten durch Gelsenkirchen Straßen ebenso wie Bert Brechts Solidaritätslied.

Die nächsten konkreten Schritte sind schon geplant. Der Oberbürgermeister und die Leitung der Ausländerbehörde und der im Fokus der Kritik stehende Beschäftigte wurden zum Gespräch eingeladen. Dazu hat – im Auftrag der Migranten und Flüchtlinge – Monika

Gärtner-Engel, Stadtverordnete von AUF sie in einem Brief angeschrieben. Die Montagsdemo am 25.7.2016 wird Treffpunkt sein für den weiteren Bericht und Austausch. Dazu sind alle herzlich eingeladen.

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