Rede der Sindelfinger Daimler-Kollegen Henrique und Tobias auf der Kundgebung am 8.12.14 in Bochum
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Schließung des OPEL – Werkes in Bochum ist brutal !
Brutal für jede Einzelne und jeden Einzelnen, für die Familien.
Brutal für die Region, für das ganze Revier.
Brutal für die Arbeiterschaft in ganz Deutschland und weltweit.
Die erste Werksschließung einer Automobilfabrik bundesweit seit über 50 Jahren! – Wie brutal!
Und was machen die Arbeiterinnen und Arbeiter ? Die Beschäftigten ?
Seit Monaten, ja Jahren stehen sie in den Startlöchern – bereit zu kämpfen, so wie ihr es immer getan habt !
Ihr, liebe OPELANER wart Vorbild für viele anderen Belegschaften – mit eurer Kampfkraft, eurem Mut, euren Aktionen – oftmals gewerkschaftlich organisiert, aber wenn nötig auch selbständig, selbst organisiert, auf die eigene Kraft vertrauend.
Konzernweit kämpfen ist euer Markenzeichen, egal ob zusammen mit dem GM Werk in Luton oder in Antwerpen.
Euer selbständiger 7-Tage langer Streik 2004 war für alle Auto-Bauer ein Signal, eine wichtige Lehre und traf GeneralMotors bis ins Mark.
Doch wie schäbig kapitulierte die IG-Metall Führung jetzt angesichts des Schließungsbeschluss`:
Trotz Ablehnung von 76 % der Belegschaft zu Sozialtarifvertrag, Abfindungen und Werkschließung, verhandelte die IG-Metall Führung mit GM, ließ die Werke von GM untereinander ausspielen und hetzte auf infame Weise gegen alle Kräfte in und ums Werk, die kämpfen wollten.
Diese Spaltungsmanöver verhinderten, dass eure Kampfkraft und die Solidarität unter den OPEL, GM und anderen Automobilwerken national und international zur vollen Entfaltung kam.
Diese IG-Metall Politik drehte uns den Magen um, unser gewerkschaftliches Gewissen meldete sich massiv: Deshalb stellten wir Daimler-Kollegen aus Sindelfingen als Erstunterzeichner die Online PETITION an den IG-Metall Vorstand ins Netz: „Aufstand des gewerkschaftlichen Gewissens – Solidarität mit den Bochumer OPELANERN“,.
Innerhalb von jetzt nur 3 Wochen unterzeichneten über 850 Unterstützer.
Meiner Erfahrung nach trauten sich manche Kollegen zunächst nicht: Sie hatten eine regelrechte Scheu, sich kritisch gegenüber der IG-Metall Spitze öffentlich zu positionieren. Doch diese Furcht wurde durch Diskussionen auf Vollversammlung und Delegiertenversammlung niedergerungen. Viele Vertrauensleute, Betriebsräte, Funktionäre der IG-Metall, vor allem aber empörte Kolleginnen und Kollegen, denen schon lange der „sozialverträgliche“ Schmusekurs der IG-Metall Führung stinkt, haben inzwischen bundesweit unterzeichnet.
Zu viele sogenannte „Standortsicherungen“, sogenannte „Zukunftsvereinbarungen“ und der „Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen“ auf dem Papier, stehen der Wirklichkeit direkt entgegen:
Am Ende heißt es doch immer nur:
Leistungsverdichtung, Personalabbau, Leiharbeit, Flexibilität, Arbeitszeitverlängerung und Auslagerungen als Ergebnis dieser Erpressungen.
Bei vielen Kolleginnen und Kollegen ist die Erkenntnis gereift: Nur im offensiven Kampf gegen die Konzerne gibt es Erfolge – bei ruhigen Verhandlungen im Co-Manager Stil gewinnen wir keinen Blumentopf.
Dazu ein bekanntes Beispiel vom Daimler Sindelfingen:
Wir sind ein Werk, das nächstes Jahr 100 Jahre alt wird, beschäftigt sind heute etwa 35000 Stammmitarbeiter, 1600 Praktikanten, Doktoranten und Diplomanten und ca. 2800 Leiharbeiter. Wir bauen täglich ca.1100 E-Klassen und 490 S-Klassen.
Im Dezember 2009 entfaltete sich der Kampf um die C-Klasse, die damals mit einer Stückzahl von 700 Fahrzeugen am Tag von uns gebaut wurde. Dieser explosive Kampf wurde von uns IG-Metallern an der Basis initiiert und durchgeführt. Eine Woche lang waren wir bundesweit in aller Munde – doch wir schafften es nicht, den Kampf selbständig höher zu entwickeln und zu organisieren. Wir wählten z.Bsp. keine eigenständige Streikleitung. Mit Versprechungen -„Keine betriebsbedingten Kündigungen bis 2020“ – und Zugeständnissen erreichten unsere Konzernlenker (Zetsche,Schmückle,Porth), im Verbund mit Mediengleichschaltung und Zusammenarbeitspolitik unserer IG-Metall Spitze um Erich Klemm, die Masse der Kolleginnen und Kollegen zu besänftigen, zu beruhigen und persönlich in Sicherheit zu wiegen. So wurde unser Kampf um die C-Klasse in Bezug auf unsere Forderung „C bleibt hier“, zu einer Niederlage – am 9. Mai diesen Jahres (2014) lief die letzte C-Klasse von Sindelfingen bei uns vom Band!
Für uns alle war das gefühlsmäßig unbeschreiblich niederschmetternd. Bis heute haben viele diesen Verlust nicht überwunden und verarbeitet.
Doch es entwickelten sich weitreichende Erkenntnisse unter Teilen der Belegschaft heraus:
Höhere Profite bestimmen im Kapitalismus ALLES ! – Nur durch harten, organisierten Kampf können wir unsere Interessen durchsetzen! – Wir Automobilarbeiter sind eine gewaltige Kraft, diese Kraft haben wir 2009 gespürt !
Die Erfahrungen sind auch Grundlage für unsere Solidarität mit euch OPELANERN und für die Petition „Aufstand des gewerkschaftlichen Gewissens“.
Mehrere hundert € sammelten wir unter unseren Kolleginnen und Kollegen für eure Streikkasse, wir machten Unterschriftensammlungen und die OPEL Solidarität war Bestandteil vieler Kämpfe und vieler Versammlungen.
Etliche, wie auch ich, engagieren sich bei der Organisierung der 1. Internationalen AutomobilarbeiterKonferenz, die im Oktober 2015 in Sindelfingen statt findet. Ich fordere alle OPEL Arbeiterinnen und Arbeiter, sowie die Beschäftigten der Zulieferer und ihre Familien dazu auf, sich an der Vorbereitung und Durchführung der Konferenz aktiv zu beteiligen:
Wir brauchen eure Erfahrungen und Kraft, um immer besser die Arbeiter-Einheit zu schmieden. Unsere Konferenz kann wesentlich zur Entwicklung einer gemeinsamen Front der Automobilarbeiter national und international beitragen.
Mit einer Salamitaktik werden derzeit alle Daimler Werke einzeln angegriffen und für Investitionen Zugeständnisse erpresst. Die IG-Metall Vertrauenskörperleiter der verschiedenen Daimler Werke verweigern sogar offen eine gemeinsame Vertrauensleutesitzung aller Standorte. Jeder solle „autonom die unterschiedlichen Themen mit jeweiliger Priorität bearbeiten“!
Diese IG-Metall Politik kritisieren wir mit unserer Petition und bekommen dafür sehr viel Zustimmung!
Deshalb: Unterschreibt die Petition auf OpenPetition zum „Aufstand des gewerkschaftlichen Gewissens – Solidarität mit den Bochumer OPELANERN“, wenn noch nicht geschehen – schickt sie an Freunde und Mitkämpfer online weiter und sammelt auf Unterschriftenbögen weitere Unterstützer.
Nie wieder darf sich eine Werkschließung wiederholen, ohne dass die IG-Metall unsere gesamte Kampfkraft bundesweit und international in die Waagschale wirft. Die kämpferischen Kräfte, die innergewerkschaftlich diffamiert und gemobbt wurden, müssen rehabilitiert werden.
So etwas darf sich nie, nie wieder wiederholen! –
Denn die Arbeiterbewegung weiß:
Profit ist nicht stärker als Alles –
Solidarität und Zusammenhalt: Dann sind wir stärker!
Unter dem heutigen Motto:
„Wir haben die Schließung nie akzeptiert und tragen die Fackel weiter“, sind wir gerne gekommen und danken euch für die Einladung:
Wir nehmen die Fackel auch nach Sindelfingen mit und reichen darüber hinaus das Feuer über die Internationale AutomobilarbeiterKonferenz an andere Automobilarbeiter weiter.
Die Petition und die Debatte über den weiteren Weg unserer Gewerkschaft wird nicht zuletzt auf dem IG-Metall Gewerkschaftstag 2015 eine wichtige Rolle spielen.
Die Brutalität der Schließung durch GM und der gewerkschaftspolitische Skandal des Nichtkämpfens durch die IG-Metall Führung müssen durch Solidarität und Vorbereitung der nächsten Kämpfe die passenden Antworten bekommen.
Danke für eure Aufmerksamkeit