Die Abwälzung der Kriegs- und Krisenlasten auf die Masse der Bevölkerung in Gelsenkirchen in Zeiten der Inflation war das Thema mit rund 60 Teilnehmern und interessierten Passanten und mit Monika Gärtner-Engel als Moderatorin. Die reaktionäre Entwicklung der „Sozialpolitik“ im Rahmen der Rechtsentwicklung der etablierten Parteien wurde in vielen Beiträgen von der Montagsdemo als soziales Gewissen auf der Straße unter die Lupe genommen.
So berichtete Petra Müller, Erzieherin und aktive Gewerkschafterin bei Ver.di, von ihren täglichen Erlebnissen mit Kinderarmut in ihrem Beruf. In Punkto Fachkräftemangel wandte sie sich vehement gegen alle Pläne, die Arbeitszeit zu verlängern. „Wir als Gewerkschafter sagen NEIN, die Lösung muss eine Arbeitszeitverkürzung sein, für die 30-Stunden-Woche bei vollem Personal- und Lohnausgleich! Damit macht man Berufe attraktiv, das hat sich auch schon mit der Einführung der 4-Tage-Woche in Handwerksbetrieben gezeigt.“
Jan Specht, Stadtverordneter für das überparteiliche Kommunalwahlbündnis AUF Gelsenkirchen, ging auf die Pläne der Stadt ein, auf dem kontaminierten ehemaligen Kokereigelände in Gelsenkirchen-Rotthausen eine Schule zu bauen, was inzwischen vom Tisch ist. AUF hatte den Protest dazu organisiert. Das Kommunalwahlbündnis fordert, das Volkshaus in Rotthausen einzubeziehen und eine vernünftige Grundschule zu errichten.
Jan Specht kritisierte außerdem scharf den unnötigen vorzeitigen Abriss des Zentralbads, ein richtiges Schwimmbad als Ersatz ist dringend nötig! Nach den Vorschlägen von AUF Gelsenkirchen wäre zuerst auf dem Gelände der alten Polizeiwache ein neues Zentralbad in erster Stufe entstanden, um erst danach das alte Bad abzureißen und das neue Zentralbad weiter auszubauen. „Mit einem Bäderarchitekten hatten wir dazu einen sehr innovativen Vorschlag vorgelegt.“
Einstimmig beschlossen die TeilnehmerInnen eine Protesterklärung: Sie sind empört, dass über die letzte Montagsdemonstration und ihren Protest gegen die haltlosen Vorwürfe des Antisemitismus im Rat auf Jan Specht und AUF Gelsenkirchen kein Sterbenswort in der lokalen Presse berichtet wurde.
Anna Bartholomé legte den Finger in die Wunde, dass viel zu viele junge Menschen in der „Stadt der 1000 Feuer“ die Schule ohne einen richtigen Schulabschluss verlassen, obwohl sie das Zeug dafür hätten. Als Folge dessen haben sie nicht die Möglichkeit, eine gute Facharbeiterausbildung zu machen. Gleichzeitig gibt es Gejammer aus den Konzernetagen über den „Facharbeitermangel“. Sie wies weiter darauf hin, dass Asylbewerber oder Geduldete viel zu oft nicht einmal arbeiten dürfen – obwohl sie es können und die meisten von ihnen auch wollen. Dafür gab es viel Beifall.
Dazu sprach auch Adelheid Gruber vom Freundeskreis Flüchtlingssolidarität in Solidarität International. Sie berichtete darüber, dass viele Flüchtlinge mittlerweile Angst haben, zur Arbeit zu gehen, da deutschen Behörden es auch darauf anlegen, für Abschiebungen Flüchtlinge zuerst am Arbeitsplatz aufzusuchen. Sie kritisierte das als eine unwürdige und unmenschliche Behandlung.
Ulja Serway von der Koordinierungsgruppe der Bundesweiten Montagsdemobewegung brachte den Vorschlag eines städteübergreifenden Aktionstages gegen Kinderarmut ein, der auf positive Resonanz stieß. Sie unterstrich die Forderung nach einem Lohnnachschlag und Inflationsausgleich, die Inflation ist mit über 6 Prozent weiter sehr hoch, im letzten Jahr sanken die Reallöhne im Durchschnitt um 6 Prozent. In Gelsenkirchen als Stadt mit den niedrigsten Einkommen trifft das die Leute besonders hart.
Eine Montagsdemonstrantin aus Bochum berichtete vom erfolgreichen Kampf der Opel-Kollegen in Rüsselsheim für die Übernahme der Leiharbeiter. Gleichzeitig berichtete sie von der Abmahnung, die ein IG-Metall-Vertrauensmann deswegen erhielt, und rief zur Solidarität auf. Es ist ein Erfolg gegen die Armut im Lande, dass die Kolleginnen und Kollegen für feste Arbeitsverhältnis und gegen Leiharbeit aktiv werden und kämpfen. Das teilten auch die TeilnehmerInnen der Montagsdemo.
Christian Link, öffentlicher Sprecher der Bergarbeiterbewegung Kumpel für AUF, rief zur Bergarbeiterdemonstration am kommenden Samstag, 19. August, in Duisburg auf. Gemeinsamer Abfahrtspunkt für alle Interessierten ist: 10 Uhr an der „Horster Mitte“, Schmalhorststr. 1 in GE-Horst und 10 Uhr am „Treff International“, Hauptstr. 40 in GE-City. Viele Montagsdemonstrantinnen und Montagsdemonstranten nahmen sich bereits auf der Kundgebung vor, dorthin zu fahren. So sieht man sich also am Samstag in Duisburg wieder.
Auf der Montagsdemonstration am 11. September gibt es ein Highlight: Das Jahresfest der Montagsdemo Gelsenkirchen wurde für diesen Termin einstimmig beschlossen.
Mit freundlichen Grüßen und der Bitte um Berichterstattung
Thomas Kistermann
Martina Reichmann