Konsequenter Gesundheitsschutz JA! Abwälzung der Krisenlasten auf die Bevölkerung und Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten NEIN! Das war das Motto der heutigen Montagsdemo. Die Koordinierungsgruppe der Bundesweiten Montagsdemo hatte zu einem bundesweiten Protesttag am 25.05.20 aufgerufen. Anders als bisher gewohnt fand die Kundgebung nicht am Husemannplatz, sondern am Dr. Ruer-Platz statt. Obwohl dieser Platz nicht so gut frequentiert ist wie der Husemannplatz, blieben immer wieder Passanten stehen. Gut 20 Leute waren ständig anwesend. Zu Beginn der umfangreichen Debatte teilte einer der Moderatoren pflichtgemäß die Auflagen der Polizei mit (Abstandsregel mindestens 1,50 Meter, keine Verteilung von Druckwerken wie Flugblätter usw.) Nach dem Singen der Eingangshymne begann die lebhafte Diskussion.
Einer der Moderatoren monierte das Fehlen von Schutzkleidung und Atemschutzmasken zu Beginn der Corona-Pandemie. „Erst wurden Atemschutzmasken als Bazillenschleuder bezeichnet, weil nicht genug da waren, danach hieß es von Frau Merkel, auch behelfsmäßiger Gesichtsschutz sei besser als gar nichts, was stimmt, schließlich kam es zur Maskenpflicht. Diese Schutzausrüstung müsste vom Staat kostenlos zur Verfügung gestellt werden, anstatt zu überhöhten Preisen von Händlern angeboten zu werden“.
Zunächst meldete sich eine ehemalige Betriebsratsangehörige von Thyssen-Krupp: „Der Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp beschloss am 18.05.20 eine weitere massive Welle der Arbeitsplatzvernichtung. Damit wird die Weltmarktbeherrschung weiter vorangetrieben.Nur diejenigen Sparten sollen im Konzern bleiben, die an der Weltmarktspitze mithalten und Maximalprofit abwerfen können. Das sind vor allem Schmieden, Großwälzlager und Autozulieferer. Marineschiffbau und Stahl sollen mit Konkurrenten fusioniert werden, ein Verkauf der Anteilsmehrheit wird nicht ausgeschlossen. Daneben soll eine Art „Bad-Bank“ mit den zu schließenden oder abzustoßenden Bereichen gebildet werden. Dazu gehören unter anderem Federn, Stabilisatoren, Grobblech, Powertrain, aber auch das Edelstahlwerk Terni in Italien. Insgesamt sollen so 20.000 Beschäftigte ausgegliedert werden. Und das alles zusätzlich zu der ohnehin bereits geplanten Vernichtung von 3.000 Arbeitsplätzen. Das ist nicht Ursache der Corona-Krise, sondern war lange vorher geplant. Das beweist die geplatzte Fusion mit Tata und die Zustimmung der IG Metall zum Abbau von 3000 Arbeitsplätzen. Tenor der Stahlarbeiter: Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen!“
Im Anschluss daran der Redebeitrag eines Betriebsratsmitglied von Opel-Warehousing: „Auch in uns
erem Betrieb wurden Arbeitsplätze bei der Firma Neovia vernichtet, die unter einem Dach mit Opel-Warehousing zusammenarbeitet. Vor allem waren Leiharbeiter betroffen. Während die Gesundheitsmaßnahmen im gesamten Ersatzteillager der Opel-Warehousing unzureichend sind (Mindestabstand kann nicht eingehalten werden, Desinfektionsmittel und Schutzkleidung sind nicht ausreichend), wurden Betriebsversammlungen aus Corona-Schutzgründen abgesagt wie die nächste im Juni. Das nehmen wir natürlich nicht hin“. Gleichzeitig mobilisierte das Betriebsratmitglied zur Teilnahme an einer Kundgebung am kommenden Mittwoch, 27.05.20, vor dem Justizzentrum in Bochum. „Hier geht es um eine Kollegin von Neovia, deren befristeter Arbeitsvertrag trotz Zusage der Personalabteilung nicht verlängert wurde, weil sie angeblich freiwillige! Sonderschichten am Samstag verweigert hat. Die Wahrheit ist das Engagement dieser Kollegin für die Rechte der Beschäftigten wie z.B. die Arbeitsbedingungen. Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist um 9.45 Uhr, die Kundgebung beginnt um 8.45 Uhr. Wer Zeit hat, sollte kommen!“
Eine Rednerin von der Organisation „Solidarität International“ berichtete von dem erfolgreichen Kampf der Bergarbeiter im Kongo, einen Bonus für die Bergleute der chinesischen Molybdän-Mine Tenke Fungurume Mining (TFM) erreichten. „Seit dem 24. März mussten sie auf dem Zechengelände ohne Kontakt nach außen bleiben, damit die Förderung nicht durch Corona gefährdet wird“, berichtete die Rednerin. Jetzt bekommen sie 100 Dollar pro Tag für die Arbeit in Isolation und ab Mittwoch beginnt ein Personalwechsel auf der Zeche, so dass die ersten Kumpel nach zwei Monaten ihre Familien wieder sehen können“.
Ebenfalls überbrachte eine Rednerin der Organisation „Kumpel für AUF“ ihre Solidaritätserklärung für „Solidarität International“.
Eine ehemalige Krankenschwester wies auf die Belastungen des Krankenhaus- und Pflegepersonals und auch der Ärzte in der jetzigen Corona-Pandemie hin: „Zwar beklatschen und jetzt viele für unsere Arbeit, aber aufgrund der Kommerzialisierung der Krankenhäuser und Schließung von nicht profitablen Kliniken steigt die Arbeitsbelastung enorm und verringert sich dementsprechend auch die Qualität der Patientenversorgung. Wir fordern Neueinstellungen und eine bessere Bezahlung, die diesen Berufszweig im Gesundheitswesen attraktiver macht“.
Einer der Moderatoren monierte die Zustände in den Schlachthöfen und vor allen Dingen in den Unterkünften der Beschäftigten: „Sowohl im Schlachtbetrieb und erst recht in den Unterkünften der Beschäftigten können Abstands- und Hygieneregeln nicht eingehalten werden. Es ist skandalös, wie die oft als Werksarbeiter Beschäftigten der Schlachthöfe untergebracht sind: Auf engstem Raum und unter unzureichenden sanitären Anlagen wie Duschen und WC`S. Trotzdem dürfen Schlachthöfe- und Verarbeitungsbetriebe wie z.B. Westfleisch in Coesfeld wieder uneingeschränkt produzieren. Nur der Profit zählt, nicht die Gesundheit der Menschen. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Zustände in den Unterkünften auch jetzt nicht verbessern werden. Daran ändert auch nichts das jetzige Verbot für den Einsatz von Werksarbeitern in Schlachthöfen“.
Eine Studentin prangerte die Situation der Studenten an, für die durch die Schließung von Gaststätten, Bars usw. ihre Einkünfte als Kellner-innen oder sonstige Tätigkeiten in diesen Einrichtungen wegfallen. „Es gibt nur ungenügende staatliche Hilfen und viele stehen vor der Frage, wie sie leben sollen“.
In mehreren weiteren Wort Beiträgen wurde auf die finanzielle Situation der Kleinunternehmer und Selbständigen durch Corona hingewiesen, die trotz staatlicher Zahlungen immer noch prekär ist. Es war Konsens, dass diese Unternehmen und Selbstständige ausreichend staatliche Gelder bekommen müssen, die Konzerne dagegen müssen die Entgeltfortzahlungen für die Beschäftigten aus ihren Profiten leisten und nicht auf die Belegschaft durch Kurzarbeitergeld abwälzen, das die Steuerzahler finanzieren.
In einer Wortmeldung wurde der thüringische Ministerpräsident Ramelow heftig kritisiert, weil er sämtliche Einschränkungen nach dem Corona-Schutzgesetz aufheben will und an die Eigenverantwortung der Bevölkerung appelliert. „Das ist ein bodenloser Leichtsinn, weil Corona nach wie vor akut ist und ein neue Ansteckungswelle damit vorprogrammiert ist. Wahrscheinlich geht es auch hier um die Interessen der Konzerne, denn in Thüringen gibt es auch ein Opel-Werk“, hieß es.
Auch die Lage der Flüchtlinge kam zur Sprache: „Zahlreiche Flüchtlinge müssen unter menschenunwürdigen Umständen in Flüchtlingslägern wie z.B. in Moria/Griechenland oder an der türkisch-griechischen Grenze ausharren. Davon spricht niemand. Bei Ausbruch von Corona droht eine humanitäre Katastrophe. Jedoch gibt es eine kleine positive Nachricht. Nach heftigen Protesten und auch mit anwaltlicher Unterstützung und Ausbruch von Corona in der Erstaufnahmeeinrichtung Ellwangen wurden 100 Flüchtlinge in andere Unterkünfte verlegt, wie es in einem Bericht des Freundeskreises Alassa heißt. Ellwangen wurde durch einen brutalen Einsatz der Polizei gegen die Flüchtlinge in 2018 berüchtigt“.
Zum Ende der Kundgebung wies ein Redner noch auf die Lage der Bedürftigen, Hartz IV-Empfänger, Bezieher der Sozialhilfe und Grundsicherung sowie Rentner mit geringer Rente hin: „Diese Menschen bekommen überhaupt keine staatliche zusätzliche Leistung. Allenfalls kann ein Betrag von 100,00 Euro als Vorschuss auf den Regelbedarf gewährt werden, der im Folgemonat wieder abgezogen wird. Und das, obwohl die Ausgaben für die Bedürftigen deutlich angestiegen sind, denn die meisten Suppenküchen und Tafeln haben immer noch geschlossen und die Bedürftigen müssen ihre Lebensmittel und Mahlzeiten zu merklich höheren Preisen finanzieren, dafür fehlt jedoch das Geld!“
Mit der Abschlusshymne endete die umfangreiche Diskussion. Die nächste Montagsdemo ist am 8.6.20 am gleichen Ort, da der Husemannplatz durch eine Kampagne der Stadt Bochum (Fahrradwäsche) für einen längeren Zeitraum belegt ist.
Die Moderatoren
Ulrich Achenbach
Christoph Schweitzer