Heute endete nach dem 6. Verhandlungstag der Prozess gegen Faruk P. Er hatte am 22. Juni 2019 versucht „Seda“ mit über 20 Messerstichen zu töten. Zuvor hatte er sie drei Jahre lang gestalkt und ihr gedroht, sie zu töten. Seda überlebte nur, weil sie nicht zuletzt in Gedanken an ihre Kinder heldenhaft gegen den Angreifer kämpfte und umgehend Hilfe bekam.
Das Gericht stellte zweifelsfrei fest, dass objektiv und subjektiv ein zielstrebig ausgeführtes Tötungsdelikt und Tötungsabsicht vorlag. Es ordnete dies aber völlig ungeprüft und unbewiesen in eine angebliche schizoaffektive Psychose ein. Es erklärte den Täter demzufolge schuldunfähig. Dagegen begründete der Anwalt von „Seda“, die Nebenklägerin im Prozess war, dass die Handlungen und Verhaltensweisen von Faruk P. ein typisches Täterverhalten eines schuldfähigen Stalkers mit Mordabsichten darstellen. Das muss nach der „Istanbuler Konvention“ hart bestraft werden. Kein Wort der Entschuldigung oder Reue kam ihm im Prozess über die Lippen.
Alle stichhaltig begründeten Einwände zum psychologischen Gutachten, Nachweis von großen methodischen und inhaltlichen Fehlern wurden von Gericht und Staatsanwaltschaft nicht zum Anlass genommen, das bisherige Gutachten zu überprüfen und ein zweites Gutachten zu beauftragen. Das löste großes Befremden aus. Groß war die Empörung über den geurteilten Freispruch auf Grund der Schuldunfähigkeit bei den ca. 35 ProzessbesucherInnen, was diese engagiert und unüberhörbar am Ende der Verhandlung zum Ausdruck brachten. Schon während der Verhandlung in einer längeren Pause fand eine kämpferische Protest- und Informationsdemonstration durch Rüttenscheid statt. Der Zuspruch war überaus groß! Mitten drin auf der Demonstration „Seda“, die betonte, dass es nicht nur um sie geht, sondern um alle Frauen. „Ni una mas – keine einzige mehr“ und „Opferschutz vor Täterschutz“ schalte es durch die Straßen. Gewalt gegen Frauen ist für viele trauriger gesellschaftlicher Alltag, aber auch Anlass in die weltweite Bewegung dagegen einzureihen.
Der wichtige Etappensieg in der Urteilsbegründung liegt in zweierlei: Erstens, dass die Aussage von „Seda“ und von Zeugen uneingeschränkt akzeptiert wurden. Zweitens, in der eindringlichen Bekräftigung der Richterin, dass Faruk P. weiterhin eine große Gefahr für „Seda“, ihre Familie und die Öffentlichkeit ist. Es wurde eine Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Klinik ohne Bewährung und auf unbefristete Zeit angewiesen. Das ist eine große Erleichterung für „Seda“, ihre Familie und alle Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Alle waren sich einig, unser Kampf gegen Gewalt an Frauen wird weiter gehen!
Seda bedankte sich für die große Solidarität und sprach allen aus dem Herzen, als sie sagte „Das ist nicht das Ende, meine Geschichte und der Kampf gehen weiter.“