Statement von Fred Schirrmacher, einer der Sprecher und Mitbegründer der Bundesweiten Montagsdemo
Als sich das Berliner Bündnis „Montags gegen 2010“ am 3. November 2003 gründete, entschlossen wir, bewusst auch an die damalige Massenbewegung im Herbst 1989 anzuknüpfen. So dann auch bei der Gründung der bundesweiten Montagsdemobewegung im August 2004. Denn auch im August 2004 bildete sich in Vorbereitung des größten Sozialabbauprogramms in der Geschichte der BRD mit der Einführung der Hartz-Gesetze eine Massenbewegung, welche die Rot-Grüne Schröder-Fischer Regierung in Angst und Schrecken versetzte und ihr große Probleme bereitete.
Bemerkenswert und bezeichnend war und ist, dass diese Bewegung eine Kampfeinheit von Ost und West, einen gemeinsamen Widerstand gegen die Regierung bildete. Die Montagsdemobewegung gründete sich 15 Jahre nach dem Mauerfall und es gibt sie auch im 30. Jahr nach dem Mauerfall noch! Die Montagdemobewegung ist eine gesamtdeutsche Bewegung, die von Beginn an um gleiche Löhne, Renten und Arbeitszeiten und um Angleichung der Lebensverhältnisse kämpft. Eine Spaltung zwischen Ost und West, Arm und Reich, Jung und Alt, Deutsche und Ausländer lassen wir nicht zu.
Die Bilanz der Bundesregierung(en) und ihrer neoliberalen Weggefährten ist nicht unsere Bilanz. Deutschland beteiligt sich wieder an zahlreichen militärischen Auslandseinsätzen, die Umweltzerstörung hat lebensbedrohliche Ausmaße angenommen, noch immer sind die Löhne und Renten zwischen Ost und West nicht angeglichen, Alters- und Kinderarmut haben erschreckende Ausmaße angenommen, Schulen zerfallen, obwohl angeblich Bildung so hoch geschrieben wird. Wichtige öffentliche Bereiche wie die Gesundheitsversorgung, Energie, Wasser und das Grundrecht auf Wohnen wurden privatisiert und der Profitgier der Großkonzerne unterworfen, wodurch sich für ärmere Menschen die Lebensverhältnisse drastisch verschlechtert haben.
In einem reichen Land wie Deutschland gibt es Tafeln und Kleiderkammern, um die stetig steigende Zahl der Menschen in Armut zu versorgen. Zustände, die an die Entwicklung zwischen den beiden Weltkriegen erinnern, auch wenn die Ausmaße von Massenarbeitslosigkeit und Massenelend noch andere sind. Heute spielt sich aber eine gefährliche Rechtsentwicklung der Regierung und Wegbereitung des Faschismus durch die AfD ab. Da darf man sich fragen, wer hier die ewig Gestrigen sind!
Es ist gut, dass mit dem Mauerfall vor 30 Jahren die Menschen in Ost und West wieder vereint sind. Es ist aber nicht gut, wie sich die Lebensverhältnisse in Deutschland in den dreißig Jahren entwickelt haben, und man kann bei weitem nicht von einer „Erfolgsgeschichte“ oder „blühenden Landschaften“ reden. Wir leben noch in einer gespaltenen Gesellschaft, der soziale Zusammenhalt und die Lebensgrundlagen in Folge der Umweltzerstörung sind gefährdet und wir spüren immer offener die Diktatur der Übermonopole. Der Staat rüstet immer mehr auf und baut unter dem Deckmantel der Terrorgefahr demokratische Rechte und Freiheiten drastisch ab.
Nein, eine Erfolgsbilanz nach 30 Jahren deutscher Einheit sollte anders aussehen und sollte vor allem für die gesamten Menschen im Land ein Erfolg sein. So groß die Freude noch heute über die sogenannte „friedliche Revolution“ 1989, den erfolgreichen Volksaufstand gegen das verhasste Stasi-Regime in der ehemaligen DDR ist, so notwendig ist der gemeinsame Kampf der Menschen in Ost und West gegen die Politik der neoliberalen Einheitsfront.
Und hier muss der Widerstand an vielen Fronten gemeinsam in Ost und West und gemeinsam zwischen allen fortschrittlichen Kräften in linker Einheitsfront noch entschlossener geführt werden: Für die konsequente und bedingungslose Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West, für den Erhalt des Weltfriedens, für die Rettung der Umwelt!
So wie ich haben sich sicher viele Menschen, die 1989 in der ehemaligen DDR montags für bessere Lebensverhältnisse demonstriert haben ein gemeinsames Deutschland, so wie es heute ist nicht vorgestellt. Darum gilt nach 30 Jahren wiedervereinigtes Deutschland: Ein „Weiter so“ darf es nicht geben.
Fred Schirrmacher /Berlin
Sprecher und Mitbegründer der Bundesweiten Montagsdemobewegung