Auf der vergangenen Bochumer Montagsdemo ging es um die Bildungsmisere in Deutschland. Marode Schulen, ständige Unterrichtsausfälle durch Lehrermangel, große Klassen, veraltete Software auf den Schulcomputern sind traurige Realität in einem der reichsten Länder der Erde. Gute Bildung hängt vom Geldbeutel ab und gibt es nur für Kinder und Jugendliche der Reichen. Diese Elite kann Privatschulen besuchen und auch Nachhilfeunterricht für förderungsbedürftige Schüler finanzieren.
Viele beteiligten sich an der interessanten Diskussion zu diesem Thema. „Als ehemaliger Lehrer im Ruhestand habe ich miterlebt, wie Grundschulen geschlossen worden sind, weil die Schülerzahlen nicht ausreichten. Anstatt die kleinen Klassen zu fördern und damit die Bildungsqualität weiter zu verbessern, ging es nur darum, die Kosten zu Lasten der Schüler-innen zu senken. Optimale Bildung war daher nur noch auf Privatschulen möglich. Auch Nachhilfestunden konnten sich nur finanzkräftige Eltern leisten“, hieß es in einer Wortmeldung.
„Nachdem die Schülerzahlen einige Zeit rückläufig waren, sind sie in den letzten Jahren rapide angestiegen, u.a. auch durch die Migrantenkinder. Jetzt fehlen sowohl Schulgebäude als auch Lehrpersonal. Trotzdem stellen die Länder (das Schulwesen ist Ländersache) nicht genügend Gelder für das Bildungswesen bereit. Kein Wunder, da auch die Zuweisungen an die Länder durch den Bund deutlich zurückgehen“, ergänzte ein weiterer Redner.
Einer der Moderatoren verlas eine Meinung einer Montagsdemonstrantin, die für die Belange der Jugend kämpft, aber schwer erkrankt ist: „Gute Bildung? Ist nur etwas für Kinder und Jugendliche der Reichen! Kinder von armen Eltern sind nicht gefragt, wozu braucht ein Arbeiter eine hohe Bildung? Er könnte sonst zu schlau werden, um sich gegen seine Ausbeutung im Berufsleben und gegen die korrupte Politik zu wehren! Das ist von den Herrschenden nicht gewollt! Wir alle müssen um bessere Bildungschancen unserer Jugend kämpfen! Schüler und Eltern müssen massenweise auf die Straße gehen!“
„Häufig wird den Eltern die Mitschuld an der niedrigen Bildung ihrer Kinder gegeben. Das ist völliger Unsinn. Gerade Hartz IV – Empfänger oder Bezieher der Sozialhilfe, aber auch alle anderen Eltern mit niedrigem Einkommen fehlt sowohl die Zeit als auch das Geld für eine gute Bildung ihrer Kinder. Die meisten Armen sind in prekären Beschäftigungsverhältnissen und sind nach ihrer Arbeit viel zu ausgepowert, um sich Zeit für ihre Kinder zu nehmen. Nachhilfestunden können diese Eltern erst recht nicht bezahlen. Besonders schlimm ist die Situation von Alleinerziehenden“, sagte eine Rednerin.
„Als Integrationshelfer betreue ich Schüler mit Verhaltensstörungen in einer Ganztagsschule. Das System dieser Ganztagsschule ist eine kleine Alternative. Die Schüler-innen können hier unter fachlicher Anleitung ihre Hausaufgaben machen. Kritiker behaupten, ab dem Mittag sei die Lernfähigkeit stark herabgesetzt. Das stimmt nur zum Teil, es kommt darauf an, was in den Nachmittagsstunden gemacht wird. Bei uns stehen Schwimmen oder Spiele, aber auch Kochkurse auf dem Stundenplan. Das wird von den Schüler-innen gut angenommen. Ich protestiere aber dagegen, dass Integrationshelfer nicht entsprechend ausgebildet werden. Ich bin auch kein ausgebildeter Pädagoge“, schilderte ein weiterer Redner.
Eine Erzieherin meldete sich: „Für die Kinderbetreuung sind inzwischen zwar mehr Kindertagesstätten geschaffen worden, jedoch ist das Personal bei weitem nicht ausreichend. Besonders bei Krankheit oder Urlaub der Mitarbeiter-innen kommt es zu Engpässen. Eine Erzieherin ist für eine deutlich zu große Gruppe von Kindern verantwortlich, das geht nicht nur zu ihren Lasten, auch die Kinder leiden darunter. Ich bin Mitglied von Ver.di und wir fordern einen neuen Betreuungsschlüssel, so dass jedes Kind optimal versorgt und betreut werden kann“.
„Viele Unternehmen klagen jetzt schon über einen Fachkräftemangel, doch sind kaum bereit, entsprechend auszubilden. Das wird sich in der Zukunft rächen, da es dann an allen Ecken und Enden an Fachkräften fehlen wird und selbst notwendige Aufgaben, wie z.B. die Krankenpflege oder das Handwerk, können nicht mehr sichergestellt werden. Bereits jetzt werden hochqualifizierte Flüchtlinge zu Dumpinglöhnen für solche Tätigkeiten eingesetzt. Die Politik beabsichtigt eindeutig, Flüchtlinge und deutsche Beschäftigte sowie Erwerbslose zu spalten“, hieß es in einer weiteren Wortmeldung.
Der Gitarrist bemerkte: „Nicht nur der Lehrermangel ist ein Problem, sondern auch die Qualität des Unterrichts. Geschichte wird nur unzureichend vermittelt, z.B. die russische Revolution vor 100 Jahren gegen die Zarenherrschaft wird negativ dargestellt, da angeblich Lenin ein Diktator war. Dabei hat diese Revolution dazu geführt, dass u.a. der Erste Weltkrieg beendet wurde und in der Sowjetunion bessere Arbeitsbedingungen wie der Acht-Stunden-Tag und die Gleichberechtigung der Frau geschaffen wurden“.
Die Montagsdemonstranten fordern eindeutig gleiche Bildungschancen für alle, sind sich jedoch klar, dass diese Forderung in dem jetzigen System nicht umsetzbar ist.
Über die Zukunftsvisionen in einem Sozialismus und wie z.B. eine gleiche kostenlose Bildung für alle finanzierbar ist, soll daher auf der übernächsten Montagdemo diskutiert werden. In 14 Tagen geht es um die Großdemonstration in Bonn am 11.11.17 gegen den Umweltgipfel.
Mit der Abschlusshymne endete die Kundgebung.
Ulrich Achenbach/Moderator