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Bochumer Montagsdemo: Geplantes Freihandelsabkommen TTIP entrechtet Staaten

Geplantes Freihandelsabkommen TTIP entrechtet Staaten

Mit dem Lied „Montagsdemo angesagt“ wurde die gut besuchte Kundgebung am Husemannplatz eröffnet. Zu dem Thema Widerstand gegen die Freihandelsabkommen TTIP, TISA und CETA entwickelte sich eine ausgiebige Diskussion.

„Am Samstag fand eine bundesweite Protestaktion gegen diese Freihandelsabkommen statt. Auch in Bochum beteiligten sich auf dem Massenbergboulevard zahlreiche Organisationen wie Gewerkschaften, Migranten- und Umweltorganisationen sowie Parteien an den Protesten. Auch einige Montagsdemonstranten waren dabei, die bestimmt über die Aktionen berichten können“, leitete einer der Moderatoren die Debatte ein.

„Zunächst möchte ich den Hintergrund des Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) erläutern“, informierte ein Redner, „wegen des Konkurrenzdrucks spielen sich die internationalen Konzerne um die höchste Profitrate aus. Mit TTIP und Co. sollen zwischen den USA und der EU angebliche ‚Handlungshemmnisse‘ ausgeräumt und ein Investionsschutz eingeführt werden. Damit sind in erster Linie Arbeits- und Umweltstandards der entsprechenden Staaten gemeint, die nach dem Willen der Konzerne aufgeweicht oder ganz abgeschafft werden sollen. Zum Beispiel fordern die Unternehmen längere Arbeitszeiten, weniger Kündigungsschutz und den Abbau der Umweltschutz-Gesetze. Sowohl Fracking als auch genmanipulierte Lebensmittel sollen durchgesetzt werden. Ist einmal dieses völkerrechtliche Abkommen abgeschlossen worden, können die Konzerne sogar gegen die Gesetzgebung der EU-Staaten klagen, wenn die entsprechenden Gesetze Auswirkung auf ihre Profite haben. Über die Klage entscheiden dann sog. konzernfreundliche Schiedsgerichte. Die Gesetzgebung der Staaten wird also ausgehebelt“.

„Dazu gibt es konkrete Beispiele. Das US-Unternehmen ExxonMobil Investments nutzte den ISDS-Mechanismus (Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahrens) des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) zwischen Kanada, den USA und Mexiko, um Kanada 2007 erfolgreich zu verklagen. Die Beteiligungsgesellschaft des Energieriesen forderte gemeinsam mit Murphy Oil ungefähr 49 Millionen Euro. Der endgültige Schiedsspruch wurde nie veröffentlicht. Auch Cargill, ein amerikanisches Unternehmen zur Lebensmittelherstellung war dazu berechtigt. Cargill verklagte Mexiko 2004 mit dem ISDS-Mechanismus im NAFTA-Abkommen. Das Unternehmen bekam 71,8 Millionen Euro zugesprochen. Mexiko hatte versucht, eine Steuer auf Getränke einzuführen, die Maissirup mit hohem Fruchtzuckergehalt enthalten. Der Sirup wird mit Fettleibigkeit in Verbindung gebracht. Ähnliches würde bei TTIP passieren, wenn in Deutschland Fracking gesetzlich verboten ist. Die Gewinnung von Schiefergas ist mit hohen Gefahren für die Umwelt verbunden, z.B. das Trinkwasser wird verseucht“.

„Gabriel (SPD) hat sich zunächst für ein unbeschränktes Verbot für das Fracking ausgesprochen, bereits jetzt ist die Regierung eingebrochen, in dem ein Gesetz verabschiedet werden soll, nach dem Fracking unter strengen Auflagen und Bedingungen erlaubt ist. Damit beugt sich die Regierung bereits schon jetzt vor den Konzernen. Nicht auszudenken, was nach TTIP kommt“, ergänzte ein weiterer Redner.

„Der Widerstand gegen das Freihandelsabkommen nimmt erfreulicherweise europaweit zu. Es wurden bereits Millionen von Unterschriften gegen TTIP und Co gesammelt. Der Druck auf die entsprechenden Regierungen wächst. Wir haben durchaus die Chance, das Entrechtungs- und Profitförderungsabkommen zu kippen“, meinte eine Rednerin.

Ein Montagsdemonstrant schilderte seine Eindrücke von der Aktion am vergangenen Samstag: „Es gab viele Stände von verschiedenen Organisationen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fiel mir durch eine gelungene Protestaktion gegen TTIP auf. Dort wurden Chlor-Stoffhühnchen zusammen mit TTIP in eine Mülltonne geworfen. Für einen Treffer gab es ein Bonbon oder Dauerlutscher. Insgesamt zeigte sich die Veranstaltung sehr kämpferisch, leider fehlte das offene Mikrofon wie bei der Montagsdemo, obwohl Lautsprecheranlagen vorhanden waren und der Besucherstrom überschaubar war. Zumindest hätten einzelne Organisationen eine offene Diskussion mit den Bürgern anbieten können“.

Ein Mitglied der Partei MPLD monierte auf der Montagsdemo: „Ursprünglich sollten wir von der Veranstaltung ausgeschlossen werden, weil sich die MLPD angeblich nicht an Abmachungen des Veranstalters halten würde. Dieses Argument ist aus der Luft gegriffen und nicht richtig. Bei keiner bündnisweiten Protestaktion hat die MLPD den Ablauf in irgendeiner Weise gestört. Der wahre Grund ist der verbreitete Anti-Kommunismus der entsprechenden Veranstalter. Wir konnten jedoch nach zähen Verhandlungen am Samstag doch noch unseren Stand aufbauen“.

Nach dem Lied „Wir haben den längeren Atem“ setzte sich die Diskussion fort.

Im Zusammenhang mit TTIP wurden die jüngsten Schiffsunfälle auf dem Mittelmeer angesprochen. Durch das Kentern von überfüllten bzw. seeuntauglichen Schiffen sind hunderte von Flüchtlingen ertrunken. „Unsere Regierung weint jetzt Krokodils Tränen über die Opfer der Katastrophe, ist aber zugleich an der Abschottung der europäischen Außengrenzen mit beteiligt. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex soll angeblich für die Seenotrettung mit zuständig sein. In Wirklichkeit geht es nur um die Sicherung der Außengrenzen der südlichen EU-Staaten Bisher hat Italiens Marine Hunderte von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer gerettet. Doch die Hilfe „Mare nostrum“ ist Rom zu teuer geworden. Den EU-Staaten geht es vorrangig um Abschreckung der Bootsflüchtlinge, denn fehlendes Geld ist nur vorgeschoben. Das beweist sich z.B. durch die Bankenrettung, wo Millionen Euro an die Not leidenden Banken gezahlt wurden“.

„Die Interessen der internationalen Großbanken- und Konzernen besonders in den Ländern von Afrika sind verantwortlich für die Flüchtlingsströme. Durch Ausbeutung von Bodenschätzen und Vertreibung von großen Teilen der Bevölkerung ist eine Flüchtlingswelle geradezu vorprogrammiert“, hieß es in einer Wortmeldung“, viele Menschen laufen mehrere Jahre zu Fuß durch Afrika, um zur Mittelmeerküste zu gelangen, weil sie in ihrer Heimat keine Überlebenschance mehr haben. Sie werden dann zynischer weise Wirtschaftsflüchtlinge genannt“.

„Nur wenn die Ursachen für die Flucht bekämpft und die Schieberbanden verfolgt werden, ist das Flüchtlingsproblem in den Griff zu bekommen“, merkte einer der Moderatoren an.

Eine Rednerin wies darauf hin: „In Deutschland meinen viele Leute, die Flüchtlinge würden bevorzugt behandelt, sie bekämen bessere Leistungen als bedürftige Deutsche. Das ist überhaupt nicht der Fall, denn die Leistungen nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz sind noch geringer als Hartz IV. Außerdem dürfen sich Flüchtlinge nur in der Stadt bewegen, in der sie ihre Unterkunft haben“.

Die Montagsdemonstranten begrüßten jedoch einhellig, dass Flüchtlinge in Deutschland auch willkommen sind. „In Bochum bemühen sich mehrere Organisationen um die gestrandeten und verzweifelten Menschen“, hieß es in einer Wortmeldung.

Zum Abschluss der Kundgebung monierte eine Hartz IV- Empfängerin öffentlich ihre Heizkostenabrechnung. „Ich soll 600,00 Euro nachzahlen, mein Nachbar mit einer erheblich größeren Wohnung hat die gleiche Nachzahlung. Da kann etwas mit der Erfassung des Verbrauchs nicht stimmen. Ich habe bereits die Verbraucherberatung eingeschaltet“

Am nächsten Montag lautet das Thema „1. Mai – Tag der Arbeit „.

Mit der bekannten Abschlusshymne endete die Kundgebung.

Ulrich Achenbach
Moderator

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